WIEDER IM LANDE

Corontäne in Thüringen

Mindestens ein Jahr wollten wir auf Reisen sein, aber rückblickend ging unsere Tour schon am Freitag, den 13. (…) März zu Ende. Da nämlich verkündete der spanische Präsident den Alarmzustand und wir suchten uns innerhalb weniger Stunden im vertrauten Andalusien eine Alternative zum Wohnwagen. Zum Glück hatten wir damals keine Ahnung, dass die vierstündige Fahrt von Cartagena nach La Herradura unsere vorläufig letzte Etappe der Reise sein sollte.

5 Wochen Ausgangssperre haben wir dort ausgesessen und die Zeit dank großem Garten zum Toben und kleinem Hund zum Gassi gehen ganz gut über die Runden bekommen. Aber die Art und Weise, wie während dieser Zeit mit der Bevölkerung umgegangen wurde, hat unser Bild der spanischen Mitte-Links-Regierung ins Wanken gebracht. Die Tatsache, dass Kinder unter keinen Umständen das Haus verlassen durften und verzweifelte Eltern ohne Garten oder Balkon nicht gehört oder adressiert wurden, die Tatsache, dass Polizisten die Einkäufe der Menschen kontrollierten, um einzuschätzen, ob man die Besorgungen nicht auch im kleinen nächstgelegenen Supermarkt hätte erledigen können, der Moment, als ich (Bine) mich hinter einem Altglascontainer versteckt habe, weil ich nicht die erlaubten 50 Meter, sondern sicher 250 Meter mit dem Hund vom Haus entfernt war – all das ließ uns zunehmend daran zweifeln, die Lage einfach auszusitzen.

Unser Domizil in Spanien.

Als die deutsche Regierung vor ca. zwei Wochen die Quarantänepflicht für Rückkehrer aus dem Ausland verkündete, waren wir uns kurz nicht mehr sicher, ob wir das unseren Kindern antun können. Aber da damals bereits klar war, dass der Alarmzustand Spaniens ganz sicher bis Mitte Mai anhalten würde, entschieden wir uns, in den sauren Apfel zu beißen und nach 5 Wochen Ausgangssperre die 2500 Kilometer nach Deutschland anzutreten, um dann dort erstmal wieder 14 Tage das nächste „Gefängnis“ zu betreten. 

Da Quarantäne strenge Auflagen beinhaltet, war es nicht möglich, dafür bei Familie oder Freunden unterzukommen. Also mieteten wir bereits von Spanien aus eine kleine Blockhütte am Rande vom Thüringer Wald und 15 Minuten von Ilmenau entfernt, dem Zuhause von Bine’s Papa. Weil wir während der Quarantäne weder Einkaufen, noch Gassi oder Spazieren gehen dürfen, sollte und musste es etwas mit umzäunten Garten für den Hund und in der Nähe von Familie sein. Eigentlich ist die Vermietung von Ferienhäusern und Hotels derzeit verboten, also gab es im Vorfeld zahlreiche Telefonate mit verschiedenen Ämtern, um unsere (Zwangs-)Quarantäne hier überhaupt verbringen zu dürfen. Der Vermieter wollte verständlicherweise grünes Licht vom Ordnungsamt, die verwiesen uns wegen fehlender eingetragener Adresse der Blockhütte ans Bauamt, die Bearbeitung würde aber länger als unsere Quarantäne dauern, das Gesundheitsamt bat uns, hier einen Hauptwohnsitz anzumelden und dafür beim Einwohnermeldeamt anzurufen und am Ende ging alles glatt, weil die Amtsärztin Bine’s Papa persönlich kannte. Viel Aufwand, Chaos und auch Kosten, wenn man bedenkt, dass es sich bei unserer Quarantäne um eine unfreiwillige Auflage und nicht um eine gesundheitliche Notwendigkeit handelt. Wir waren also schon vor Ankunft wieder angekommen im vertrauten Dschungel der deutschen Bürokratie.

Durch Gespräche mit dem Auswärtigen Amt wussten wir bereits, dass uns die Spanier und Franzosen passieren lassen müssen und uns Deutschland die Einreise trotz fehlendem festen Wohnsitz nicht verweigern darf. Dennoch war klar, dass wir die Autobahn nicht verlassen dürfen und wegen geschlossenen Campingplätzen um Übernachtungen auf Raststätten nicht herumkommen würden. Um also nicht unnötig für schlaflose Nächte bei Familie und Freunden zu sorgen, wussten nur wenige Menschen Bescheid und selbst unsere Mamas haben wir erst über unsere Heimreise informiert, als wir die deutsche Grenze bereits passiert hatten. Da Freunde mit ihren Kindern eine Woche vor uns von Portugal nach Deutschland zurückkehrten, wussten wir selbst, wie sehr man sich aus der Ferne angesichts der unberechenbaren Zustände sorgt und doch nichts tun kann. 

Einen Tag vor unserer geplanten Abfahrt mussten wir unseren kleinen Nacho mit Verdacht auf Vergiftung in die Tierklinik bringen. Er lag auf einmal völlig apathisch im Garten, hatte sich übergeben, ist immer wieder eingeschlafen. Die Sorge über die lange Fahrt war also mit einem Mal abgelöst von der Angst, unseren Hund zu verlieren. Micha kam ohne ihn zurück von der Tierklinik, weil er dort bleiben musste und die ganze Nacht haben wir gebangt, wann und ob wir ihn wiedersehen würden. Als wir dann am Vormittag erfahren haben, dass es Nacho nach einer Infusion besser geht und wir ihn am Nachmittag abholen dürften, flossen Tränen der Erleichterung und alle Strapazen, die vor uns lagen, erschienen wie ein Spaziergang und wir waren einfach nur überglücklich, die Rückreise einen Tag später vollzählig antreten zu können. 

Zwischen LKWs gekuschelt.

Die Fahrt an sich war sehr viel entspannter als wir sie uns jemals ausgemalt hätten. Die Kinder waren voller Vorfreude auf Deutschland und dankbar, nach 5 Wochen endlich das Gartentor öffnen zu dürfen. Unser Hund Nacho liebt Reisetage sowieso und hat die meiste Zeit seine sicher unruhige Nacht in der Tierklinik auskuriert. Da Bine das Gespann nicht fahren darf, musste Micha die 2.500 Kilometer alleine stemmen. Wir fuhren Freitag und Samstag je rund 700 Kilometer, am Sonntag sogar über 800 und hatten es dann am Montag nicht mehr weit nach Ilmenau. 

Spielplatz Rastplatz.

Während der Reise haben wir es genossen, unsere Pausen und Nächte im schon lange vermissten Wohnwagen zu verbringen. Nacho lag die Nächte mutig vor der Wohnwagentür und hat jedes Mal angeschlagen, wenn jemand zu nah an uns vorbeilief. Wir fühlten uns überraschend sicher und geborgen. Die Tatsache, dass wir die Nächte besser und länger geschlafen haben, als die Wochen zuvor im Haus, hat uns außerdem noch mal gezeigt, welchen Stellenwert der Wohnwagen für uns alle hat. 

Freie Fahrt.

Auf den Straßen waren wir in Spanien und Frankreich die absoluten Exoten, denn neben ein paar vereinzelten PKWs waren ausschließlich (und auch nicht viele) Lastwagen unterwegs. Wir kamen demnach zügig voran und auch die von Polizei besetzten Mautstellen und Grenze Spaniens durften wir ohne Kontrolle passieren. Wir hatten das Gefühl, dass die Polizisten einfach nur dankbar sind über jeden, der das Land verlässt. Für das strenge Frankreich hatten wir auf Empfehlung des Auswärtigen Amts hin hübsch sorgfältig einen Passierschein vorbereitet. Umso überraschter waren wir, als an der Grenze kein einziger Grenzbeamter saß und wir wie in alten Zeiten einfach durchfahren konnten. In Deutschland war alles etwas organisierter und wir wurden kontrolliert und über unsere Quarantänepflicht informiert. Als der Polizist erfuhr, dass wir ohne festen Wohnsitz sind, war er kurz ratlos, ließ uns dann aber passieren, als er bemerkte, dass wir unsere Quarantäne in Thüringen bereits brav eingetütet hatten. 

In Ilmenau begrüßten wir dann – in Zeiten von Corona etwas weniger stürmisch als wir alle Lust gehabt hätten – nach fast zehn Monaten den Opa und seine Frau Birgit auf dem Hof eines Autohauses. Hier durften wir unseren Wohnwagen freundlicherweise für die Zeit der Quarantäne abstellen. Dann ging’s gemeinsam zur Blockhütte, die dank der lieben Familie schon gefüllt war mit Leckereien. Nach einem gemeinsamen Glas Sekt anlässlich des Wiedersehens (mit Abstand!!) startete unsere Quarantäne also diese Woche Montag und endet offiziell am 4. Mai. Wir sind hier umgeben von grünen Wiesen und Wäldern und es ist wirklich hart und irgendwie nach der langen Ausgangssperre in Spanien auch ein bisschen albern, dort nicht hinzudürfen. Aber wir haben Verständnis, dass diese Maßnahmen nun mal aus einem Guss kommen und für alle die gleichen Regeln gelten. Niemand darf unser Grundstück betreten, das macht die Übergabe von Einkäufen bizarr. Gestern wurde es Nacho zu doof und er hat sich unter dem Zaun durchgegraben. Das Gefühl, bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe zu bekommen, wenn wir das Grundstück verlassen hätten, um ihm hinterherzulaufen, war mehr als merkwürdig. Vielleicht hat er unsere Verzweiflung gespürt und deshalb auf einen längeren Ausflug verzichtet und ist freiwillig umgekehrt. 

Machen immer das Beste draus.
Große Wiese vorm Fenster und wir dürfen nicht drauf.
Wir stellen uns einfach vor, wir sind im Urlaub in den Bergen.

Wir haben einen Kalender aufgehängt, der bis zum Ende der Quarantäne runterzählt und die Kinder freuen sich riesig, jeden Abend den vergangenen Tag durchzustreichen. Wenn die Zeit hier vorbei ist, waren die beiden abgesehen von unserer Rückfahrt sieben Wochen nicht vor der Tür. Was für eine Ironie des Schicksals, wenn man bedenkt, dass der Wunsch nach mehr Freiheit der Grund für unseren Aufbruch und der rote Faden der ersten neun Monate unserer Reise war. Wenn das hier vorbei ist, werden wir erstmal den Thüringer Wald hoch und runter spazieren und unsere Kinder auf einer großen Wiese feiern. Denn auch wenn wir ihnen diese beklemmende Erfahrung liebend gern erspart hätten – wir sind unendlich stolz auf die beiden und bewundern, wie ideenreich, tapfer und trotz allem fröhlich sie die letzten Wochen gemeistert haben. Und wie wenig sie brauchen, um eine gute Zeit zu haben.

7 Comments
  1. Monika Flemming 5 Jahren ago

    Ach Mensch, das Ende Eurer Reise hätte echt schöner laufen können, aber Ihr macht das Beste daraus, wie wir alle gerade. Wir freuen uns, wenn wir uns hoffentlich bald mal wiedersehen und einander hoffentlich auch kräftig umarmen können. Fühlt Euch mal alle kräftig geknuddelt von uns und lasst es Euch gut gehen in den „Thüringer Bergen“.

    • Author
      bine 5 Jahren ago

      Danke, Moni. Bald hoffentlich wieder im echten Leben. Grüße deine Jungs.

  2. Anja 5 Jahren ago

    Willkommen Ihr Lieben! Wir sind bei Euch, Ihr habt es bald geschafft!!! Ich hab oft an Euch in Spanien gedacht!

    • Author
      bine 5 Jahren ago

      Danke, Anja. Ja, bald ist Halbzeit. Alles wird gut, bis bald, fühlt euch gedrückt.

  3. Irmgard Kunze 5 Jahren ago

    Schon über Jean hatte ich von eurer Rückkehr (gesund, aber trotzdem in Quarantäne) erfahren. Und heute abend habe ich sogar meinen „eigenen“ BLOG wieder entdeckt.
    So wünsche ich euch noch angenehme und schöne Tage in Thüringen und viel, viel Erfolg und gute Ideen für die Zeit danach. Wenn wir wieder so dürfen, wie wir wollen und wenn wir gesund bleiben, sehen wir uns sicher in diesem Sommer wieder. Ich freue mch drauf!
    Irmgard

    • micha 5 Jahren ago

      Hallo Irmgard,

      vielen Dank für die guten Wünsche. Wir haben schon fast die Hälfte der Quarantäne geschafft. Wir sind sehr gespannt, was wir danach dürfen und was nicht. Viel planen kann man im Moment natürlich eh nicht, weil sich ja jeden Tag alles ändern kann. Wie auch immer ist ein Besuch in der alten Heimat so bald wie möglich anvisiert. Wäre schön, wenn wir uns dann sehen.

      Liebe Grüße

  4. Michael 5 Jahren ago

    Hallo,

    jetzt bin ich schon ein bissl neugierig. Die Quarantäne ist schon lange vorüber, die Einschränkungen in Deutschland ist Stück für Stück wieder gelockert. Wie geht es Euch heute? Und welche Pläne habt Ihr für die kommenden Wochen? Jetzt wo auch Auslandsreisen allmählich wieder möglich werden …

    Ciao
    Michael

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