GESTRANDET IN SPANIEN

Ausgangssperre mit Blick aufs Meer.

Gerade einmal drei Wochen ist unser letzter Beitrag her und die Welt ist seitdem eine völlig andere. Grenzen sind geschlossen, viele Menschen nicht da, wo sie hingehören, Krankenhäuser überlastet und die Köpfe voller Sorgen, wie es nun für die Länder und jeden Einzelnen weitergeht. 

Auch wir machen uns Sorgen. Obwohl wir riesiges Glück hatten und derzeit die spanische Ausgangssperre nicht im Wohnwagen, sondern in einem Häuschen mit großen Garten verbringen können. Aber ganz von vorn.

Len und die Algarve.

Wir hatten traumhafte Wochen mit Freunden an der Algarve hinter uns, bevor wir unsere Route Richtung Nordportugal starteten. Der ursprüngliche Plan war es, bis ganz nach oben zu fahren und uns von dort aus langsam und gemütlich über das wunderschöne Nordspanien zurück Richtung Deutschland vorzuarbeiten. Dort wollten wir von Anfang April bis Mitte Mai an mehreren Familienfeiern teilnehmen, unsere Lieben treffen, Schule und Kindergarten von Pauline und Len besuchen, Arzttermine wahrnehmen, Ostern bei Opa am Feuer sitzen, ein Mädels-Wochenende in Nürnberg verbringen, die Osterferien mit Michas großem Sohn in Süddeutschland campen gehen – alles in allem waren wir voller Vorfreude auf viele schöne Wiedersehen. Aber wie bei vielen Menschen derzeit kam auch bei uns alles anders. 

Auf der Höhe von Lissabon und nach ein paar gemütlichen Tagen im Inland zeichnete sich ab, dass die nächsten Tage sehr verregnet sein würden und die Temperaturen mit jedem Kilometer Richtung Norden fallen. Darüber hinaus haben wir wieder einmal realisiert, dass wir derzeit überhaupt keine Freude an Städtebesichtigungen empfinden und uns im naturbelassenen Süden Portugals viel wohler fühlten. Also entschlossen wir uns kurzerhand gegen unsere Route durch den deutlich kühleren Norden Portugals und Spaniens und kehrten dahin zurück, wo es uns am besten gefallen hatte. In den Süden. 

Statt auf unserer ca. zehntägigen Rückreise nach Deutschland zu frieren und nass zu werden, wollten wir lieber noch mal kurz die wunderschöne Algarve genießen und auf der Strecke einige unserer Lieblingsorte und Lieblingsmenschen wiedersehen. Wir kehrten also von Portugal aus noch mal nach Andalusien zurück, wo wir statt der geplanten zwei Wochen den Winter über letztendlich elf Wochen geblieben waren und wir besuchten noch mal die kleine Bucht bei Cartagena in der Region Murcia, die uns so gut gefallen hatte und uns vier Wochen zum Jahresanfang bleiben ließ.

Zu Besuch bei Freunden in Frigiliana. Was für ein schönes Zuhause. 😍

Von dort wollten wir eigentlich am 17. März nach Deutschland fahren, doch dann ging letzte Woche alles rasend schnell. Frankreich rief den Alarmzustand aus, Spanien wurde unruhig. Wir wussten, dass wir mit Wohnwagen, zwei kleinen Kindern und einem jungen Hund nicht einfach 20 Stunden nach Deutschland durchbrettern konnten. Wir wussten aber auch, dass sich in Frankreich gerade viel tut und unsere dort anvisierten Campingplätze sehr wahrscheinlich gar nicht offen gewesen wären. Die Angst, in Frankreich dann irgendwo in Quarantäne gehen zu müssen, war also groß und wie wir von anderen gehört haben auch berechtigt.

Da war die Welt noch in Ordnung. Zwischenstopp im schönen Cartagena.

Davon abgesehen hätten wir Deutschland viel früher als erwartet erreicht. Die Campingplätze dort öffnen aber erst im April (und jetzt wahrscheinlich gar nicht) und unsere Familienmitglieder, bei denen wir rein platztechnisch überhaupt hätten unterkommen können, gehören zur Risikogruppe des Virus. Außerdem hätten wir uns während unseres sechswöchigen Besuches in neun von 16 Bundesländern aufgehalten. Was für ein Irrsinn vor dem Hintergrund einer möglichen Pandemie.

Also entschieden wir uns am Freitag den 13. schweren Herzens, nicht nach Deutschland zu fahren, sondern alle Entwicklungen in Spanien abzuwarten. Wir beschlossen, ins sonnenreiche Andalusien zu fahren und dort eine Unterkunft zu suchen, in der wir eine mögliche Ausgangssperre leichter ertragen könnten. Dank der Hilfe einer lieben Bekannten aus dem andalusischen La Herradura wussten wir nur wenige Stunden nach dem Beschluss, wo wir unterkommen konnten. Eigentlich wollten wir dorthin erst Sonntag umsiedeln, aber eben jene Bekannte verfolgte parallel zum Glück live die Ansprache des spanischen Präsidenten und riet uns, aufgrund der bevorstehenden Maßnahmen so schnell wie möglich aufzubrechen. Noch bevor die deutschen Medien seine Rede an die Nation übersetzt hatten, wussten wir dank Irina also schon Bescheid und packten Freitag in Rekordzeit unsere sieben Sachen.

Kurz vor Mitternacht erreichten wir dann unser neues Zuhause im uns vertrauten La Herradura. Der deutsche Vermieter Otto und seine liebe Frau Lourdes ließen uns freundlicherweise zur späten Stunde noch rein. Unseren Wohnwagen durften wir direkt vorm Haus parken. Das ersparte uns, mit all unsere Sachen ins Haus umzuziehen. Nun gehen wir einfach zum Wohnwagen, wenn doch noch etwas fehlt zum Spielen oder Lesen.  

Wenn schon Ausgangssperre, dann da, wo man gar nicht weg will.

Schon einen Tag später – am Samstag Morgen – waren die Straßen bei Cartagena gesperrt und wir hätten nur noch in Richtung unseres Heimatlandes fahren dürfen. Der Campingplatz, den wir dort verlassen hatten und auf dem immer noch Freunde von uns stehen, ist mittlerweile abgeriegelt und unter Quarantäne. Die Kinder hätten sich also ausschließlich im Wohnwagen und auf dem kleinen Stück davor bzw. auf dem Weg zum Waschhaus bewegen dürfen. Wer kleine Kinder hat, kann sicher verstehen, was für ein Stein uns vom Herzen gefallen ist, nicht dort geblieben zu sein. Zusätzlich hören wir täglich von befreundeten Reisefamilien, die ihren Campingplatz wegen Schließung räumen müssen, andere Plätze nehmen aber keine Neuankömmlinge mehr auf. Hier in La Herradura werden Menschen in Wohnmobilen von der Polizei weggeschickt. Auf die Frage eines jungen Mannes, wohin er denn soll, das Wohnmobil sei schließlich sein Zuhause, bekam er nur die Antwort: „Wissen wir auch nicht, Hauptsache raus aus Spanien.“ Wir können also einfach nur heilfroh sein, dass wir den Impuls hatten, den kalten Norden zu meiden, nicht nach Frankreich zu fahren und den Wohnwagen gegen ein Haus im sonnigsten Teil Spaniens zu tauschen.

Unser Zuhause. Bis auf Weiteres. Gottseidank mit Garten.

Jetzt sind wir nun also seit 5 Tagen in unserem Häuschen, seit Montag mit offizieller Ausgangssperre. Man darf hier nur vor die Tür, wenn man auf dem Weg zur Arbeit, zum Supermarkt, Apotheke, Krankenhaus oder (warum auch immer) Friseur ist. Und wenn man dann beispielsweise einkaufen fährt, darf das nur ein Erwachsener tun. Dank unserem Garten haben die Kinder trotzdem Auslauf. Wir sind mit etlichen Familien hier im Ort in Kontakt und ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie es uns in einem kleinen Apartment ohne Balkon auf Dauer gehen würde. 3 Mal am Tag dürfen Micha ODER ich zusätzlich noch dank unserem Hund Nacho das Grundstück zum Gassi gehen verlassen.  Hier in Spanien stehen Hunde darum grad hoch im Kurs. Einige leihen sich verbotenerweise einen, nur um mal rauszudürfen. Und angeblich wurden schon mehrere Jogger von der Polizei angehalten. Alle hatten die Ausrede, ihr Hund sei weggelaufen. Zieht jetzt auch nicht mehr. Wir sind also trotz eigentlich unglücklicher Umstände sehr, sehr froh und dankbar, es so gut getroffen zu haben.

Ganz viel Zeit für alles Mögliche.

Zum Glück dürfen wir in dieser kleinen Oase nun auch noch auf unbestimmte Zeit bleiben, denn alle anstehenden Buchungen für April wurden aufgrund der geschlossenen Grenzen bereits storniert. So herausfordernd die Situation auch ist – die Spanier nehmen die Krise erstaunlich ruhig, besonnen und mit weiterhin viel Fröhlichkeit. Jeden Abend um 20 Uhr applaudieren zum Beispiel alle Menschen auf ihren Balkonen oder am Fenster den arbeitenden Menschen im Gesundheitswesen. Um 21 Uhr werden Laternen angezündet für Kranke und Verstorbene. 22 Uhr singen alle  nochmal die Hymne und irgendwie scheinen sie dabei sehr demütig und guter Dinge, dass die Entscheidungen der Regierung nur zu ihrem Besten sind. 

Derweil macht uns allerdings die Trägheit und Halbherzigkeit der Entwicklungen in Deutschland ganz schön zu schaffen und wir hoffen sehr, dass die Ausgangssperre auch bald in dem Land ankommt, in dem all unsere Lieben wohnen. Wie die Bilder und Erzählungen aus der Heimat zeigen, gibt es dort immer noch genug Menschen, die den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Wir wünschen uns von Herzen, dass wir gemeinsam die Lage bald in den Griff bekommen und all die lieben Menschen einfach ein bisschen später als geplant, aber dafür umso fester wieder in die Arme schließen können.

Bleibt gesund. Und Zuhause. 🙏😧 

4 Comments
  1. Susanne Messerschmidt 6 Jahren ago

    Liebe Familie Kruppa,
    ja es ist sehr schade, das es nicht zu einem kleinen Wiedersehen im KiFaZ kommen kann. Die Situation hat sich echt zugespitzt….ich wünsche mir auch, das alle Vernünftig mit der Situation umgehen….ich wünsche Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit.. hoffentlich bis bald….Liebe Grüße Susanne Messerschmidt

    • Author
      bine 6 Jahren ago

      Ja, wie schade. Wir haben uns alle schon riesig gefreut. Vielleicht beruhigt sich die Situation in den nächsten Wochen, dann ist die Freue umso größer. Ganz liebe Grüße von uns allen.

  2. Maria Rampelt 6 Jahren ago

    Liebe Familie Kruppa,
    schön zu lesen, dass SIe an einem solch schönen Platz abgekommen sind! Und irgendwann klappt es bestimmt noch mit dem Besuch in der Schule. Liebe Extragrüße an Len und bleiben Sie gesund! Herzliche Grüße, Maria Rampelt

    • Author
      bine 6 Jahren ago

      Liebe Frau Rampelt, wie schön, von Ihnen zu hören. Ja, wir hoffen, aas mit dem Besuch schnell nachholen zu können. Wir schauen, wie sich die Situation entwickelt und drücken alle Daumen, dass es vor den Sommerferien klappt. Nur das Beste!! Alle Kruppas.

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