ÜBER VERANTWORTUNG

Über allen Gesprächen und Gedanken über unsere weiteren Reisepläne als Familie kreiste in den letzten Wochen und Monaten immer wieder das Thema „Verantwortung gegenüber unseren Kindern“.

Können wir wirklich verantworten, unsere Kinder auch im zweiten Jahr nicht in die Schule zu schicken? War es nicht sowieso verantwortungslos, unsere Kinder aus ihrem gewohnten Umfeld zu nehmen, um unseren eigenen Träumen nachzugehen? Sind wir nicht in der Verantwortung, unsere Kinder jetzt schon auf eine leistungsorientierte Gesellschaft vorzubereiten?

Wir haben mit Freunden und Familie darüber gesprochen und uns all diese Fragen auch selbst gestellt. Denn wir sind in unserer Kindheit ebenso den „konventionellen“ Weg gegangen und können daher ja noch gar nicht abschätzen, was diese Reise mit unseren Kindern langfristig machen wird.

Trotzdem sehen wir, wie glücklich unsere Kinder sind und haben uns darum in den letzten Wochen oft gefragt, wer eigentlich definiert, welche Verantwortung wir als Eltern innehaben. Natürlich gibt es da die universelle Verantwortung, sein Kind zu lieben, zu versorgen, zu beschützen. Doch dann gibt es noch so viele andere Erwartungen an Eltern, die sie mit Geburt eines Kindes sicherstellen sollten. Zumindest in den privilegierten Ländern. Dazu zählen unter anderem eine gute Schulbildung, eine solide Vorbereitung auf den Abschluss und Arbeitsmarkt, feste Freundschaften, regelmäßige Hobbies, ein richtiges Zuhause und noch einiges mehr.

Wir wissen, dass wir bei den letzten Punkten gerade vieles anders machen und uns darum in den Augen einiger derzeit nicht mit Ruhm bekleckern. Wir glauben aber auch, dass es immer stark auf die Werte und Prioritäten der jeweiligen Eltern ankommt und es deshalb in Sachen Verantwortung in jeder Familie genauso viel Spielraum geben sollte wie beispielsweise beim Thema Erziehung, Ernährung oder Wahl des individuellen Schulmodells.

Warum? Weil Menschen, die Kinder in die Welt setzen, nun mal ganz unterschiedlich sind. Und genau deshalb fühlen sich auch nicht alle Eltern für die gleichen Dinge gleich verantwortlich.

Wofür fühlen WIR uns verantwortlich?

Lebenseinstellung

Wir möchten Pauline und Len eine große Lust aufs Leben vermitteln und ihnen dabei ein Gefühl der Leichtigkeit mit auf den Weg geben. Wir Eltern wünschen uns für die Beiden, dass sie keine Angst vorm Später haben, sondern sich ihre Welt voller Zuversicht und mit ganz viel Freude gestalten. Das eigene Leben darf bunt sein und es ist völlig okay, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Diese Verantwortung wiegt für uns einfach viel schwerer als eine lückenlose Schullaufbahn oder das Bestreben, sie früh und konsequent auf den Ernst des Lebens vorzubereiten. Hätten wir beides höher priorisiert, wären wir natürlich gar nicht erst losgereist.

Familie

Wir möchten unseren Kindern ein glückliches und stabiles Familienleben ermöglichen. Dafür braucht es nicht nur ein schönes Zuhause, sondern in erster Linie glückliche Eltern, die wir in unserem alten Leben nur bedingt sein konnten. Natürlich kann man sagen, dass sich das Glück immer im Inneren finden lässt. Aber wenn das Herz ständig fragt, ob es das hier denn schon gewesen ist, darf und sollte man irgendwann hinhören, der inneren Stimme folgen und die Situation verändern. Die Kinder haben seit 14 Monaten ganz viel Zeit mit ihren (glücklichen) Eltern und darüber hinaus verinnerlicht, dass das Leben nicht nur dazu da ist, die Zähne zusammenzubeißen und sich durchzuquälen, sondern man auch gehen lassen darf, was einen nicht erfüllt. Die Stabilität eines festen Alltags, die Len und Pauline vielleicht durch das rollende Zuhause fehlt, bekommen sie durch die Stabilität ihrer Kernfamilie. Zuhause ist, wo wir sind.

Bildung

Wir glauben beide, dass die Erfahrung der Reise unseren Kindern in Sachen Bildung keinen Nachteil beschert, sondern sie sogar bestens auf eine Welt vorbereitet, in der der lückenlose Lebenslauf immer mehr an Bedeutung verliert, dafür aber Weltoffenheit, Kreativität und Flexibilität immer stärker ins Zentrum rücken. Natürlich halten wir Bildung für notwendig, aber denken, dass man sie – zumindest für einen bestimmten Zeitraum – ganz hervorragend und vielleicht sogar ein bisschen intensiver auch im Wald oder vorm Wohnwagen vermitteln kann. Die Beiden lernen jeden Tag und überall. Unsere Verantwortung ist es, ihnen dabei zur Seite zu stehen und Lust statt Frust auf mehr zu machen.

Freundschaften

Wir haben ihnen durch die Reise den täglichen Kontakt zu vielen tollen Freunden genommen. Dennoch lernen die zwei durchs Unterwegs sein, dass man bestehende Freundschaften pflegen muss, damit sie halten. Sie lernen aber auch, dass man eigentlich überall neue Freunde finden kann, wenn man offen und freundlich auf andere Kinder zugeht und dabei oft sogar viel mehr Zeit hat als im alten Leben. Mehrmals haben wir die selben Familien wiedergetroffen und so konnten die Kinder gleich mal mehrere Wochen gemeinsam die Welt erkunden. Das wertet die alten Freundschaften überhaupt nicht ab, gibt den Kindern aber auch das gute Gefühl, niemals allein zu sein – selbst, wenn Familie oder alte Freunde weit weg sind. Eigentlich eine schöne Perspektive fürs weitere Leben.

Am Ende wollen wir doch alle nur, dass unsere Kinder ein glückliches und zufriedenes Leben leben. Und so unterschiedlich die Familien sind, so unterschiedlich ist eben auch der Weg, das möglich zu machen. Zum Glück haben wir auf unserer Reise gelernt, genauer hinzuschauen und die eigenen Werte und Vorstellungen vom Leben mal beiseite zu schieben, bevor wir über den Weg der anderen urteilen.  

Noch eine Verantwortung, die wir als Eltern gerne an unsere Kinder weitergeben.

2 Comments
  1. Jean Belles-Baumann 5 Jahren ago

    Guten Tag liebe Sabine und lieber Micha!

    Seid ihr wohlbehalten an der Algarve angekommen?

    Dieser Beitrag liest sich für mich wie eine Rechtfertigung für eure Entscheidung, diesen Weg für eine gewisse Zeit zu gehen.
    Das habt ihr gar nicht nötig! Geht euren Weg, eure Kinder werden es euch eines Tages danken und sie werden sicher in einer globalen Welt besser voran kommen als die geradlinigen Schüler auf deutschen Gymnasien. Ihr erzieht sie ja nicht bildungsfern oder ideologisch bzw. religiös verklärt.

    Ich denke oft an euch und wünsche euch weiterhin alles erdenklich Liebe und Gute!

    Bleibt gesund, nehmt alles ernst, außer euch selbst!!

    Liebe Grüße von Jean

    • Author
      bine 5 Jahren ago

      Hallo lieber Jean, dank dir für deine Zeilen. Noch sind wir in Frankreich, aber der Weg ist ja bekanntlich das Ziel:-) Du hast recht, vielleicht hatten wir das Bedürfnis, uns zu erklären. Es erreichen uns grad viele Fragen und der Artikel soll ein bisschen beleuchten, wie es zu unserer Entscheidung kam und wie wir dazu stehen. Auch wenn wir es nicht müssten – manchmal ist es besser, die Antworten selbst zu liefern, bevor es die anderen tun.:-) Bleib gesund und sei ganz lieb gegrüßt.

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