GOODBYE DEUTSCHLAND

5 Monate ist es nun schon her, dass Corona unsere Reise vorzeitig auf Eis legte und uns in den spanischen Lockdown schickte. Seitdem haben wir 5 Wochen in einem andalusischen Häuschen abgesessen, in drei Tagen 2.500 Kilometer nach Deutschland zurückgelegt, zwei Wochen in Thüringen unsere Zwangsquarantäne absolviert, neun Wochen auf unserer Deutschlandtour Familie und Freunde wiedergetroffen und nun auch noch einen ganz wundervollen Monat mit allen drei Kindern Sommerferienurlaub in Bayern und Kroatien verbringen dürfen.

Was für eine aufregende Zeit, über der nichtsdestotrotz und zwischenzeitlich sehr präsent die Frage kreiste „Wie geht es weiter, wenn sich die Lage wieder normalisiert hat und wir all unsere Lieben gesehen haben?“

Der/die ein oder andere hat mitbekommen, dass unsere Entscheidung ein längerer und durchaus auch nervenaufreibender Prozess war. Mehrere Szenarien haben wir aus verschiedenen Gründen in Erwägung gezogen, schlaflose Nächte erlebt, 1000 Gespräche geführt, stundenlang in deutschen Immobilienportalen gesurft und immer wieder abgewägt. was für unsere Familie das Beste wäre.

In Kroatien wurde viel geredet 😁

Lange Rede, kurzer Sinn – am 2. Tag unseres Kroatienurlaubs waren wir kurz davor, etwas im wunderschönen Freiburger Umland zu mieten. Weil es uns dort schon immer gut gefallen hat, wir liebe Menschen in der Nähe haben und – das war der Hauptantreiber – unser Schwebezustand zwischen Reisestopp und nächstem Schritt endlich ein Ende gehabt hätte. Es war sehr verführerisch, an ein Leben anzuknüpfen, das wir gut kennen, auch wenn wir es mit unserem Aufbruch vor über einem Jahr bewusst verlassen haben. Micha wäre zurück ins Angestelltenverhältnis und beide Kinder hätten im September mit der Schule begonnen.

Rückblickend wäre die Reise für uns einfach ein tolles Abenteuer gewesen, bei dem wir unsere Komfortzone mal für ein Jahr verlassen hätten, um dann aber irgendwie doch so weiterzumachen wie nach zwei Wochen Sommerurlaub: Fotobuch entwickeln, die gesammelten Muscheln in Deko verwandeln und abends bei einem Glas Wein in Erinnerung zu schwelgen, wie schön und wertvoll das doch alles war. Denn die Wahrheit ist – wir haben das alte Leben während unserer Reise zu keiner Zeit vermisst, waren in den letzten Jahren nie so gesund, im Einklang mit den Kindern oder im Frieden mit unseren eigenen Bedürfnissen und Werten. Das einfache Leben hat uns allen gutgetan. Und tut es immer noch.

Zum Glück haben uns die Ruhe und der Abstand zu den Erfahrungen der letzten Wochen an unserem Lieblingsort in Kroatien wieder klar denken lassen (mit uns meine ich mich, Bine – Micha war schon sehr viel früher emotional am Ziel 😁) und uns daran erinnert, worum es bei unserer Entscheidung für diese Reise eigentlich ging. 

Wir wollten keinen langen Urlaub oder eine Auszeit, sondern nach sieben Jahren Hessen und einem einfach nicht verschwindenden Gefühl des „Was tun wir hier eigentlich?“ unsere Leichtigkeit zurückgewinnen und dabei im besten Fall einen Ort finden, an dem uns allen gleichermaßen das Herz aufgeht.

Unsere lang vermisste Leichtigkeit haben wir mit Antritt unserer Reise wiederbekommen.

Und den Moment mit dem Herzens-Ort hatten wir vier alle gleichzeitig im Februar, als uns die Schönheit, Atmosphäre und Mentalität Portugals in der Region der Algarve schier umgehauen hat. Es war ein ganz besonderer Abend in Lagos und wir haben gemeinsam mit den Kindern davon geträumt, wie es wäre, an so einem wundervollen Ort nicht nur Tourist zu sein, sondern wirklich leben zu dürfen. Wir haben uns vorgestellt, surfen zu lernen, die Wochenenden im Atlantik zu verbringen, die fröhlichen und so kinderlieben Portugiesen immer um uns zu haben und von Micha, der mit 16 ein Jahr in Brasilien gelebt hat, portugiesisch zu lernen.

Ein magischer Ort: Das sogenannte „Ende der Welt“ bei Sagres

Diese Gedanken haben wir aus sehr rationalen Gründen wieder verdrängt. Zum Beispiel wegen der hohen Arbeitslosigkeit im Land, weil die Winter sehr ungemütlich werden können, Portugal überwiegend Ganztagsschulen hat oder das Land der äußerste Zipfel Europas ist. Alles gute Gründe, nicht weiter darüber nachzudenken, der Kopf war lauter. Darüber hinaus wussten wir noch nichts von Corona und hatten ja gedanklich noch viele Monate Reise vor uns. Aber vergessen haben wir dieses Kribbeln im Bauch an diesem emotionalen Abend nie.

Gerade drehen wir noch mal eine kleine Abschiedstour und werden uns dann in ca. zwei Wochen langsam und gemütlich über Nordspanien auf den Weg zurück nach Portugal machen. Wir haben noch nichts gemietet oder gekauft, sondern möchten uns vor Ort ein genaues Bild davon machen, wie und wo wir leben möchten, wie sich der Winter anfühlt, Menschen besuchen, die sich als Zugezogene dort niedergelassen und etwas aufgebaut haben. Die Kinder werden wir bis zu unserer finalen Entscheidung voraussichtlich über die deutsche Fernschule unterrichten. Unser Geld verdienen wir weiterhin als Selbstständige. Wir möchten unserem Herzen folgen statt Zweifel und Skepsis entscheiden zu lassen. So haben wir das auch mit der Reise gemacht und es keine Sekunde bereut.

Die Algarve hat es uns allen angetan.

Während des letzten Jahres haben wir so unendlich viel über uns und das Leben lernen dürfen. Die wichtigste Erkenntnis für uns war aber definitiv, dass wir gar nicht sprunghafte oder undankbare (weil in der Vergangenheit so oft unzufriedene) Menschen sind, sondern unsere Vorstellungen eines bunten, fröhlichen und gern auch abenteuerlustigen Lebens schlichtweg kollidieren mit den Rahmenbedingungen, in denen wir uns bewegt haben.

Wir lieben dieses (eine) Leben so sehr, dass wir auf keinen Fall riskieren möchten, aus Bequemlichkeit oder Angst wieder da zu landen, wo wir vor dieser Reise waren. Auch im wunderschönen Freiburger Umland wäre nicht garantiert, dass wir nach einigen Monaten wieder ins Hamsterrad rutschen, kaum noch Zeit füreinander haben oder vom Nachbarn gerügt werden, dass wir die Biotonne zwar am richtigen Tag, aber nicht im richtigen Winkel an die Straße gestellt haben (alles schon passiert😁).

Blick aus unserem Fenster in Portugal.

Wir haben unterwegs unzählige Menschen treffen dürfen, die unsere Prioritäten und Werte teilen. Und es tat so gut zu sehen, dass wir mit unserer Einstellung zum Leben in einigen Ländern oder Regionen noch nicht mal zur Minderheit gehören. Wir haben verstanden, dass wir weder exotisch noch komisch sind, sondern die typisch deutsche Mentalität mit ihrem Streben nach Sicherheit und Korrektheit einfach weniger fühlen als andere.

Und weil wir hier als Paar und Familie zum Glück sehr ähnlich denken und fühlen, möchten wir es einfach wagen und unserer Sehnsucht nach fröhlichen Menschen, einer unbeschwerten und angstfreieren Gesellschaft, Wärme und gaaanz viel Natur ein Zuhause geben. Ob das in Portugal klappen wird, wissen wir nicht. Aber wie meinte Len schon im zweiten Monat unserer Reise „Ich glaub, wir sind dafür gemacht, am Meer zu leben!“ und Pippi Langstrumpf hat mal gesagt: „Das habe ich noch nie versucht. Also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“ 😍

Wir freuen uns alle auf jeden Fall riesig darauf, zurückzukehren und nehmen euch gerne mit.

Ganz viele Grüße von uns allen.

* Die Kompasskette im Titelbild hat mir meine Mama zum Abschied vor unserer Reise geschenkt. Damit sie uns zu dem Ort führen möge, an dem wir glücklich werden. Ich habe das Bild der Kette in Sagres, am sogenannten „Ende der Welt“, aufgenommen. – genau die Region, in der es bei uns allen gefunkt hat. Danke, Mama!❤️

2 Comments
  1. Susanne Messerschmidt 5 Jahren ago

    Liebe Fam. Kruppa,
    ich wünsche Ihnen alles Gute für die neue Heimat. Leider hat es ja wegen Corona nicht mit nicht mit einem Treffen im KiFaZ geklappt. Vielleicht klappt es ja, wenn Sie mal wieder zu Besuch im Lande sind. Liebe Grüße an alle und bleiben Sie gesund. Susanne Messerschmidt

    • Anonym 5 Jahren ago

      Vielen lieben Dank!! Ja, schade. Beinahe hätte es geklappt. Wir holen das nach. Nur das Beste!!

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